Spielbericht zum Prominenten-Simultan-Schach mit Großmeister Viktor Kortschnoi

Für den 9. November 2001 hatte das Casino Berlin und die Emanuel Lasker Gesellschaft 25 Schachspieler zu einer Simultan-Veranstaltung mit dem Großmeister Viktor Kortschnoi anlässlich seines 70. Geburtstages eingeladen. Die Fach­vereinigung Schach e.V. war mit ihrem Vorsitzenden (Hans Lücke), ihrem stellv. Spielleiter (Bernhard Riess) und meiner Person vertreten. Die Veranstaltung fand im 37. Stockwerk des Forum Hotels in den Räumen des Casinos Berlin am Alexander­platz statt. Hoch oben konnte man die herrliche Aussicht auf die Stadt genießen.

Um 10.30 Uhr fand die kurze Begrüßung durch die Veranstalter und eine Presse­konferenz statt. Freundlich beantworteten Herr Korschnoi und seine Frau die Fragen der Pressevertreter und der anwesenden Schachspieler, die auf englisch oder auf deutsch gestellt werden konnten. Hier hatten wir nicht Viktor den „Schrecklichen" vor uns, sondern einen humorvollen und eher spitzbübisch wirkenden alten Herrn. Aus seinen Antworten wurde schnell klar, dass es für ihn in seinem Leben zwei zentrale Punkte gibt, die ewige Faszination des Schachspiels und die frei Entfaltung des Denkens. Diese grundlegenden Einstellungen haben ihn aus meiner Sicht zu einem Kämpfer am Schachbrett und für lange Zeit zu einem politisch Verfolgten gemacht, der den Mitspieler nicht als Gegner sieht, sondern als Teil einer Komposition. Um so besser der Gegner, um so vollendeter das Ergebnis.

Kurz nach 11 Uhr begann dann die eigentliche Simultan-Veranstaltung. Jeden Mitspieler begrüßte Herr Kortschnoi per Handschlag. Der Großmeister eröffnete abwechselnd mit dem e- und dem d-Bauern. Tritt der Großmeister in der nächsten Runde ans Brett, so muss der Simultannehmer seinen Gegenzug ausführen und es erfolgt unmittelbar die Antwort durch den Simultangeber. Für mich war dies etwas gewöhnungsbedürftig. Nach etwa 15 Zügen wurde meine Stellung zusehends schlechter und das Ende war nach 30 Zügen erreicht. Es war keine große Kombination, durch die ich besiegt wurde, sondern stetiger Materialverlust. Für Herrn Kortschnoi war es sicherlich eine langweilige Partie und von einer Komposition konnte keine Rede sein. Aber für mich war es ein unvergessliches Ereignis. Am Nachbarbrett ging es dagegen deutlich spannender zu. Herr Kortschnoi opferte eine Figur für einen Königsangriff, den er etwa 10 Züge später mit einer herrlichen Kombination beendete. Bei seinem entscheidenden Zug war ein herrliches Lächeln um seinen Mund. Nach etwa 2 Stunden waren die ersten Partien beendet. Nach 2½ Stunden habe ich mit einem Turm weniger aufgegeben. Er nahm die Gratulation freundlich entgegen. Nach 3 ½Stunden neigte sich die Veranstaltung dem Ende zu. Nur noch zwei Gegner waren übrig und jeder erhielt eine Restzeit von 10 Minuten für alle noch auszuführenden Züge. Nach weiteren 5 Minuten wehrte sich nur noch unser Schachfreund Hans Lücke gegen das drohende Ende. Er hatte ein Turmendspiel mit einem Bauern weniger zu verteidigen, das theoretisch nach anschließender Auskunft durch den Großmeister remis zu halten war. Nach einem Fehler durch Hans drohte der Verlust eines weiteren Bauern. Darauf sagte Herr Kortschnoi zu Hans: „Haben Sie Mut und geben sie auf. Mit diesem Satz ging die Simultan-Veranstaltung zu Ende. Herr Kortschnoi hatte von den 25 Partien 24 gewonnen und nur eine verloren. Anschließend wurde ein Film über seine Schachlaufbahn gezeigt und Frau und Herr Kortschnoi waren zu einem persönlichen Gespräch im kleinen Kreis bereit.

Klaus-Jürgen Siewert

 

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