Abgeschickt von Robert Schmidt am 22 Februar, 2002 um 16:11:16
Denk- oder Bewegungssport - Anmerkungen zu einem Skandal in der FVSchach
Im Mannschaftskampf vom 18.10.01 zwischen IBM1 und WiHeil1, dessen Beobachter ich war, kam es beim Stand von 3 zu 2 für IBM zu einem heißen Schlußgefecht zwischen Franko Mahn (IBM) und Dr. Jens Lang (WiHeil).
Nach zwischenzeitlichem Vorteil nach Stellung und Zeit geriet Franko sowohl stellungsmäßig als auch zeitlich in einige Bedrängnis. Sein Gegner Dr. Lang nutzte in einem komplizierten Endspiel mit ungleichfarbigen Läufern seine praktischen Chancen jedoch nicht, weil er mit Franko mitblitzte und seinen etwas größeren Zeitvorrat nicht für chancenreichere Fortsetzungen investierte.
Es ergab sich daher folgendes Stellungsbild, bei dem die Spieler zunächst etwas innehielten:
Weiß: Ka6, Lh7, Be4 Schwarz: Kf4, Lc5, Ba7, Bf6
Die Spieler wie auch die Zuschauer erkannten, daß diese Stellung keinerlei praktische Gewinnchancen mehr enthielt und beide Spieler nur theoretisch den jeweils anderen besiegen konnten. Allerdings betrug die Restbedenkzeit ungefähr 5 min zu 1 min für Dr. Lang. Verunsichert wie er weiter verfahren sollte, erhielt Dr. Lang angesichts des Mannschaftsstands von einigen Manschaftskameraden die Anweisung weiterzuspielen. Insbesondere der Meisterspieler für Nah und Fern Andreas Bachmann gab den “schachsportlichen” Hinweis: “Heb ihn über die Zeit”.
In der Folge entspann sich unter den zuschauenden Mitspielern und weiteren Zuschauern eine Diskussion darüber, wie die Situation und das Verhalten nach dem Reglement zu bewerten sei, bei der die unterschiedlichen Meinungen engagiert ausgetauscht wurden, während die Spieler ruhig verharrten. Nachdem gewisse Ruhe eingekehrt war, tauschten beide Spieler im Blitztempo ca. 15 Zugpaare aus, ohne den Charakter der Stellung irgendwie zu verändern. Mit einer Restbedenkzeit von ca. 45 sec zu knapp 5 min hielt Franko die Uhr an, um den Schiedsrichter zur Beurteilung des fragwürdigen Verhaltens von Dr. Lang zu befragen und remis zu reklamieren.
Der Schiedsrichter in Mannschaftskämpfen ist nach 1.6.6. TO der Mannschaftsleiter
der gastgebenden Mannschaft - also Franko selbst -. In Anbetracht der fehlenden Gewinnversuche und -möglichkeiten seitens Dr. Lang wertete der Schiedsrichter das Weiterspielen als Unsportlichkeit und erkannte verfahrensgerecht auf remis.
Und an dieser Stelle beginnt ein Skandal seinen Lauf zu nehmen.
Kann man das Verhalten einiger Akteure noch mit der Hitze des Gefechts zu erklären versuchen, so sollte eine besonnene Beurteilung in Ruhe doch die Situation sportlich korrekt klären.
Doch nun folgte die erste einer Serie von Überraschungen.
Die BSG WiHeil war sich nicht zu schade, gegen die Wertung der Partie Protest einzulegen, um den durch unsportliches Weiterspielen eventuell erzielbaren vollen Punkt einzufordern.
Meines Erachtens ist dies ein absonderlicher und unwürdiger Vorgang, dessen Geist ich an anderer Stelle noch gesondert kommentieren werde.
Nach der Turnierordnung ist zwar zweifelhaft, ob die Fide-Regelung des Artikel 10 Abs.2 in der FVSchach gilt; denn eine Schnellschachphase sieht die TO nicht mehr vor, obgleich man die Spielbedingungen der FVSchach durchaus auch als ein Spiel mit Schnellschachphase von Anfang an wegen der begrenzten Bedenkzeit ansehen könnte, doch ist die Regelung nach 1.7.3 TO unter der Überschrift Bedenkzeit ohnehin eindeutig. Danach werden von den Spielern nicht nur gute, sondern die besten Umgangsformen erwartet. Was sollte dieses also anderes heißen, als daß der ungeschriebene und jedem fairen Schachspieler bekannte Ethos, einen Gegner nicht über die Zeit zu heben, wenn es keinerlei praktische Gewinnchancen mehr gibt, in der Turnierordnung ausdrücklich verankert ist ?
Die nächste Überraschung folgte mit einiger Verzögerung. Zunächst wurde im Ergebnisdienst der FVSchach das Ergebnis in 3:3 abgeändert, ohne daß IBM eine Entscheidung zuging. Diese ließ dann noch weiter auf sich warten, bis sie dann doch eintraf (Entscheidung vom 7.12.01) . Gespannt auf die durch die Zeit gereifte Begründung waren wir über die dürftigen Ausführungen des Spielausschusses entsetzt. Hervorzuheben bleibt, daß ML Janik vom Spielausschuß wegen grob unsportlichem Verhalten ein schriftlicher Verweis (=mildeste Strafe der Disziplinarordnung) erteilt wurde. Ein sicherlich eigenartiger Widerspruch, wenn derjenige, der zu unsportlichem Verhalten aufruft, bestraft wird, aber derjenige, der dieses ausführt, gänzlich ungeschoren bleibt. Konsequent wäre aus Sicht der Begründung des Spielausschusses doch nur ein Freispruch für ML Janik gewesen.
Was soll also diese Augenwischerei und Inkonsequenz?
Sie wirft aber ein schlagendes Bild auf die Unfähigkeit des Spielausschusses, Entscheidungen in vernünftiger und sachgerechter Abwägung der Vorschriften zu treffen und zu begründen. Daß der Spielausschuß Feinheiten, wie grob unsportliches Verhalten = mildeste Strafe (nur unsportlich aber nicht zusätzlich grob wäre verständlicher), nicht begreift und unterscheidet, mag noch entschuldbar sein, daß er mit seiner Sportgerechtigkeit allerdings derart danebenliegt, ist dagegen mehr als bedenklich.
Übertroffen wird der Spielausschuß als letzte der Überraschungen dann noch von der Mehrheit des Schiedsgerichts mit Entscheidung vom 2.2.02, die inhaltlich aus fachlicher und sportlicher Sicht eine ungeheuerliche Fehlleistung darstellt, wie ich in einem offenen Brief an dieses Gremium dargelegt habe.
Als Zwischenfazit bleibt festzuhalten, daß sich Unsportlichkeit in der FVSchach zunächst durchgesetzt hat und von den Gremien belohnt wurde.
Einen guten Ruf dagegen kann man nur einmal verlieren und den bleibenden Makel durch zukünftig anständiges Verhalten etwas mildern.
Die Akteure Dr. Jens Lang, Andreas Bachmann und auch Mario Janik haben zu Gunsten eines Mannschaftspunkts ihren bisherigen Ruf als faire Schachsportler und Schachfreunde meines Erachtens verloren. Andreas Bachmann, weil er Dr. Lang wiederholt zu unsportlichem Verhalten aufrief, - Dr. Lang, weil er trotz sichtbarem Unbehagens nicht Manns genug war, eine eigene sportlich anständige und von der Turnierordnung so vorgesehene Entscheidung zu treffen und remis anzubieten und Mario Janik, weil er das sportliche Fehlverhalten ebenfalls förderte und unterstützte. Einige Mitglieder des Spielausschusses und des Rechtsausschusses werden sich fragen lassen müssen, ob sie den Begriff Sportsgeist und Schachsport richtig verstehen und danach auch handeln und ob sie für ihre Tätigkeiten vollumfänglich geeignet sind.
Es bleibt zu wünschen, daß der auf schmutzige Art und Weise von Wiheil erworbene Mannschaftspunkt nicht den Ausschlag über die Meisterschaft gibt, sondern daß die von WiHeil verlorenen 2 Punkte entscheiden.
Robert Schmidt (BSG IBM 2. Mannschaft)